Organisation des Wertpapierhandels (beendet)

Die Organisation der Wertpapiermärkte war in den letzten Jahren einem schnellen Wandel unterworfen, der durch die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die Veränderungen regulatorischer Rahmenbedingungen geprägt worden ist. Dieser Strukturwandel war durch eine zunehmende Automatisierung des Handels gekennzeichnet, die Hand in Hand mit Veränderungen in der Organisation der Handelsprozesse ging.

Elektronische Handelssysteme der ersten Generation waren häufig reine Auktionsmärkte. In jüngerer Zeit wurden als Folge wahrgenommener Unzulänglichkeiten der reinen Auktionsmärkte komplexere elektronische Handelsverfahren entwickelt. Zentrales Ziel des Teilprojektes ist die Untersuchung solcher Modifikationen reiner Auktionsmärkte. Dabei soll zum einen analysiert werden, wie sich Variationen des Designs von Auktionsmärkten - etwa Modifikationen des Informationsangebots für die Marktteilnehmer und ihrer Handlungsmöglichkeiten (z.B. zulässige Auftragstypen) - auf die Marktqualität auswirken. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung von speziellen Ordertypen, die es erlauben, Aufträge so zu erteilen, dass das Auftragsvolumen für andere Marktteilnehmer nicht erkennbar wird. Zum anderen soll untersucht werden, welche Konsequenzen die Integration eines Intermediärs in einen Auktionsmarkt hat. Solche Intermediäre gibt es im Rahmen des Parketthandels schon lange (als Beispiele seien die amtlichen Makler an den deutschen Börsen oder der Specialist an der New York Stock Exchange genannt), Intermediäre in elektronischen Handelssystemen (etwa der Betreuer in Xetra oder der Animateur im französischen NSC-System) sind jedoch relativ neue und bislang kaum untersuchte Institutionen.

Kennzeichnend für Wertpapiermärkte ist, dass sich Veränderungen ihrer Struktur nicht nur aus dem Verhalten der unmittelbaren Marktteilnehmer (also derjenigen, die im Kundenauftrag oder auf eigene Rechnung Wertpapiere handeln) ergeben, sondern Ausdruck bewusster Gestaltung durch die Institution Börse sind. Damit haben Zielsetzung und Anreize der Entscheidungsträger der Börse (und somit letztendlich die Governance der Börse) Auswirkungen auf die Marktorganisation. Relevant ist diesbezüglich etwa die Frage, ob die Börse eine "membership organization" oder ein gewinnmaximierendes Unternehmen ist. Zu beobachten war ein Trend hin zu letzterem, belegt etwa dadurch, dass mittlerweile mehrere Börsen selbst börsennotierte Unternehmen sind. Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklung den Strukturwandel der letzten Jahre mit geprägt hat.

Die hier aufgeworfenen Fragen sollen primär mit Hilfe experimenteller Untersuchungen beantwortet werden. Die besondere Eignung der experimentellen Methode ergibt sich daraus, dass im Rahmen von Marktexperimenten Variationen einzelner Gestaltungsparameter unter ceteris-paribus-Bedingungen implementiert und so ihre Auswirkungen auf die Marktergebnisse analysiert werden können. Damit ist es in einer Serie von Marktexperimenten etwa möglich, die Auswirkungen der Einführung von Betreuern oder einer Variation von Ordertypen auf die Marktergebnisse zu überprüfen. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Erkenntnisse über in der Praxis tatsächlich verwendete Gestaltungsalternativen gewinnen, sondern es kann auch die Wirkung neuartiger Alternativen untersucht werden.

Wenn auch die experimentellen Untersuchungen im Vordergrund stehen, so sollen sie doch durch theoretische und empirische Untersuchungen gestützt und ergänzt werden. Ein zentrales Anliegen der theoretischen Untersuchungen, die für das Teilprojekt vorgesehen sind, wird dabei die spieltheoretische Analyse der angesprochenen Handelssysteme sein, um auf diese Weise insbesondere testbare Hypothesen für die vorgesehenen Experimente zu gewinnen. Die Untersuchung grundsätzlicher Fragen der spiel- und vertragstheoretischen Modellierung von Wertpapierhandelssystemen aus informationsökonomischer Sicht innerhalb des Teilprojekts ist hingegen nicht vorgesehen; sie soll wie bisher im Rahmen der Forschungsaktivitäten der Wirtschaftstheoretischen Abteilung I (Nöldeke) erfolgen.

Ergänzende empirische Untersuchungen innerhalb des Teilprojekts sind angezeigt, um zu überprüfen, ob die in den experimentellen Untersuchungen erzielten Ergebnisse unter weniger idealisierten Bedingungen Bestand haben. Für die angestrebten empirischen Untersuchungen wird dabei teilweise auf Datensätze zurückgegriffen werden können, die eine detaillierte und in dieser Form mit den ”regulär” verfügbaren Daten nicht mögliche Analyse zulassen. Eigenständige empirische Untersuchungen - also solche, die nicht ergänzend zu den vorgesehenen Experimenten durchgeführt werden - sind im Rahmen des Teilprojekts nicht geplant; sie sind Bestandteil des Forschungsprogramms der Betriebswirtschaftlichen Abteilung I (Theissen).

Prof. Dr. Erik Theissen

Betriebswirtschaftliche Abteilung I
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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