Bankenregulierung, Credit Crunch und Prozyklizität (beendet)

Die Bankregulierung der letzten Jahre ist gekennzeichnet durch einen langsamen Übergang von der quantitativen zu einer qualitativen Aufsicht. Im Bereich der Handelsbücher besteht für Kreditinstitute die Möglichkeit, Marktrisiken mit Hilfe eigener Modelle zu erfassen, zu steuern und zu kontrollieren. Derzeit wird die Ausweitung der qualitativen Bankenaufsicht auf das Bankbuch und damit auf das Adressenausfallrisiko diskutiert (Basel II). Diese Ausweitung ist mit zwei wesentlich neuen Problemkreisen verbunden. Erstens ist die Modellierung der mit Kreditportfolios verbundenen Risiken ungleich schwieriger als die Modellierung von Marktrisiken für Handelsbücher. Zweitens besitzt die gleichzeitige Anwendung ähnlicher Systeme des Risikomanagements im Bereich der Kreditvergabe möglicherweise eine prozyklische Auswirkung auf den realwirtschaftlichen Sektor einer Volkswirtschaft. An dieser Stelle setzt das Projekt an.

Ziel des Projektes ist die quantitative Analyse der Auswirkung von Value-at-Risk-(VAR-)Beschränkungen für Kreditportfolios auf das Volumen der Kreditvergabe in einer Ökonomie, die Höhe des Credit Spreads für ausfallgefährdete Kredite und auf die Aktivität im Produktions- und Investitionsbereich im Vergleich zu einem nicht regulierten oder durch pauschale Anrechnungsfaktoren regulierten Bankensystem.

Das Grundmodell besteht dabei aus drei Gruppen von risikoaversen Entscheidungsträgern: Anleger, regulierte Kreditinstitute und nicht regulierte Unternehmen. Exogen sind die Anfangsausstattung der Anleger, die Höhe des Eigenkapitals der Kreditinstitute und der Unternehmen, die Stochastik der Produktions- und Investitionsergebnisse sowie der Zinssatz für risikolose Anlagen. Wettbewerbsmärkte bestehen für den risikolosen Titel, die Bankeinlagen und die Unternehmenskredite, nicht aber für Eigenkapitaltitel. Endogen modelliert werden die Kreditvolumina, die Kreditpreise sowie die Produktions- und Investitionsvolumina der Unternehmen.

Durch den Vergleich eines nicht regulierten mit einem durch pauschale Anrechnungsfaktoren (Basel I) und einem über eine VAR-Bedingung regulierten Bankensektors sollen Antworten auf die folgenden Forschungsfragen gegeben werden:

  • Welche Wirkung besitzt eine Variation der Regulierungsschärfe, definiert durch die Höhe der Eigenkapitalbelastung, auf die Kreditvolumina, die Kreditzinssätze und die Größe des realen Sektors? Von besonderem Interesse ist dabei, ob VAR-Restriktionen zu vergleichbaren negativen Anreizeffekten führen können wie die Regulierung über pauschale Anrechnungsfaktoren.
  • Welche Konsequenzen besitzen exogene Schocks, die zu einer Änderung der Produktivitäts- oder Volatilitätsparameter der linearen Produktionstechnologien führen, für die Kreditvolumina und die Größe des realen Sektors? Kommt es aufgrund einer Regulierung zu der vermuteten prozyklischen Wirkung auf den realen Sektor, und welche Größe besitzt dann der Akzelerator?
  • Welche Konsequenzen besitzen exogene Schocks, die zu einer Änderung der Korrelationsstruktur zwischen den Produktionsergebnissen verschiedener Unternehmen führen, für die Ausfallwahrscheinlichkeit von Kreditinstituten unter dem Regulierungsregime von Basel I? Wie wirken sich diese Schocks auf die Höhe der Kreditvolumina und auf den realen Sektor bei einer VAR-Regulierung aus? Ergibt sich, wie zu erwarten, unter dem ersten Regulierungsregime eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit? Entsteht unter dem zweiten Regime ein korrelationsbedingter prozyklischer Effekt für den realen Sektor?
  • In welchem Umfang führen die beiden Regulierungsregime zu endogenen Korrelationen der Kreditpreise und damit zu einer Verschärfung der Prozyklizität über den Kreditkanal?
  • Wie überträgt sich das Risiko einer stochastischen Anfangsausstattung der Anleger auf die Volatilität des Kreditvolumens, der Kreditpreise und der Größe des Unternehmenssektors? Wie wirkt eine Veränderung der Regulierungsschärfe auf diese Größen?
  • Wie wirkt sich eine Veränderung der Regulierungsschärfe auf die Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Ausfalles mehrerer Banken aus? Diese letzte Frage thematisiert in einer elementaren Weise das Problem der Finanzsystemstabilität. Ergeben sich hier deutliche Unterschiede für die beiden Regulierungsregime?

Die formulierten Forschungsfragen werden zunächst in einem statischen Modell untersucht. In einem zweiten, möglicherweise im ersten Bewilligungszeitraum nicht mehr durchführbaren Schritt, wird dann die Analyse unter Verwendung eines dynamischen zeitstetigen Ansatzes erweitert.

Prof. Dr. Dr.h.c Wolfgang Bühler

Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzierung
Universität Mannheim
L 5, 2
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